Die Rolling Stones kommen!

Letztes Jahr, 2013, stellte sich vor dem Kiss-Auftritt am Nova Rock Festival ein Typ etwas verloren neben mich. Ob ich Kiss kenne, wollte er wissen. Etwas verdutzt konnte ich nur mit „ja“ antworten. „Ich kenne sie nicht wirklich“, erwiderte er gleich, „nur ein paar Songs auf YouTube mal angehört“. Besonders toll fand er sie nicht und seine Freunde sind auch alle zu Deichkind gegangen. „Warum bist du denn hier“, fragte ich. „Nun, seien wir ehrlich, das hier könnte die letzte Möglichkeit sein sie live zu sehen, bevor sie sterben“, lachte er.

Während wir einen tollen, vielleicht für uns den letzten Auftritt von Kiss sahen, erlebten andere im Sommer 2013 wohl das Konzert ihres Lebens am Glastonbury Festival mit den Rolling Stones. Und das, was für Kiss gilt, gilt für die Stones erst recht. Vielleicht ist es danach vorbei. Die gleichen makaberen Gedanken klingen in der Werbesprache so: „Die vielleicht letzte Tour: Sichern Sie Ihre Tickets jetzt!“

Die Rolling Stones kommen also nach Europa im Juni 2014, mit großem Tam Tam und allem Drum und Dran. Nach Berlin, nach Düsseldorf, nach Wien, nach Rom, zum Roskilde Festival, zum Pinkpop Festival, zum Rock Werchter. „14 On Fire“, heißt die Tournee dazu und alle wollen dabei sein. Die selbsterklärend nicht günstigen Tickets: „Sold Out“ – innerhalb von Minuten! Keine zehn Minuten dauerte der VVK für das Berlin-Konzert und nach einer guten Stunde ging auch in Wien nichts mehr. Anbieter auf ebay fordern bereits vierstellige Beträge für ein Ticket.

Es gibt Menschen, die können diesen wahnsinnigen Stones-Rausch nicht verstehen. Warum stürzen sich junge Leute, die keinen großen Bezug zu der Band haben, auf den Online-VVK, um ein Ticket zu bekommen? Warum geben Freunde, die letztens über Geldsorgen klagten, ihr Erspartes nun für das Konzert aus? Warum scheinen plötzlich alle die größten Fans der Band zu sein, obwohl wir durchaus wissen, dass sie es nicht sind?

1965 spielten die heute rund 70-jährigen Herren ihre erste Europa-Tour. 1965! Wenn die Rolling Stones nun also mal wieder nach Berlin und nach Wien kommen, erinnert sich Mick Jagger vielleicht daran, wie er vor quasi 50 Jahren hierher kam. Ich wünschte, ich könnte in diesem Moment einen Blick in diesen faszinierenden Kopf werfen.

Damals schon schrieben die Stones Songs wie „(I Can‘ Get No) Satisfaction“ und meinen außerhalb jeglicher Konkurrenz stehenden Lieblingssong „Paint it Black“.  Eigentlich schrieben sie aber nie Songs, sie schrieben Geschichte. Sie schrieben Songs für die Ewigkeit. Und vielleicht will auch deshalb jeder dabei sein, um in unserer Ära, die scheinbar auf einer Überholspur lebt, ein Teil dieser legendären Ewigkeit zu werden, bevor die rote Tür schwarz angemalt wird.